Rost

Vor einem Monat habe ich mir ein altes französisches Rennrad aus dem Jahr 1978 ergattert um es von Grund auf restaurieren zu können. Die Zeit hat hier überall ihre Spuren hinterlassen. Das Rennrad ist gesprenkelt mit festgetrockneten Fett, ausgeblichenen und abgeblätterten Aufklebern und zahlreichen kleinen Schrammen. Besonders gibt sich hier ein altbekannter Freund an dem durch die Schrammen freilegenden Metall in rötlich brauner Farbe zu erkennen – Rost. Zuerst hatte ich den Plan, das komplette Rad neu zu lackieren, um all diese Gebrauchsspuren verschwinden zu lassen. Je mehr ich mich mit der Restauration beschäftige, werden diese ganzen Kratzer und Schrammen jedoch immer mehr zu einem Charakter welcher durch ein einzigartiges Aussehen geprägt ist und ein wenig die Geschichte des Rennrades erzählt. Genau hier habe ich zum ersten Mal bei näherem Betrachten auch Interesse an dem sonst so nervenaufreibenden Rost gefunden. Hier wird der zeitliche Prozess und die dadurch entstehende Einzigartigkeit genauso widergespiegelt.

1 – Recherche

Rost entsteht nicht bei allen Metallen. Alleine bei Eisenmetallen ist die Folge einer chemischen Reaktion durch den Kontakt mit Wasser und Sauerstoff das Auftreten von Rost. So wird auch zwischen Eisen- und Nichteisenmetallen als rostende und nicht rostende Metalle unterschieden. Da in unserer Luft, egal ob ohne oder mit Niederschlag, immer ein Anteil an Feuchtigkeit vorhanden ist, findet an offenliegenden Eisenmetallen praktisch ununterbrochen ein solcher Rostprozess statt. So ist heutzutage besonders das Stadtbild, beinahe egal wohin man blickt, in einem solchen rostbraunen Farbton gesprenkelt.

Bestimmte Metalle wie der Cortenstahl nutzen diesen Prozess jedoch um im Gegenteil zur Zersetzung des Metalls eine Schutzschicht gegen weitere Korrosion zu bilden. Genau diese Eigenschaft zusammen mit der charakteristisch rotbraunen Patina, lässt den Cortenstahl immer häufiger in der Architektur aufblitzen.

Material-Katalog
Moodboard

2 – Materialstudie

Man findet nie die selbe Struktur oder Form und kann diese auch nie wirklich festhalten, da es sich wie ein Organismus immer weiterentwickelt und das Aussehen ununterbrochen verändert.

Wie ein roter Faden zieht sich das Rostbraun durch die Stadt Pforzheim.

Farbpalette

3 – Experimentelles Werkstück

Bei genauem Betrachten der Rostoberflächen scheint es beinahe so, als könnte man in neue Welten eintauchen. Die vielen Farben und Texturen bilden die Illusion, aus weiter Entfernung auf die unterschiedlichsten Landschaftsformen zu blicken, welche sich zum Teil sogar mit Luftaufnahmen der Erde vergleichen lassen.

Diese Illusion konnte ich schließlich nutzen, um tatsächlich kleine Planeten aus der Textur der Photographien zu modellieren.

Mit Cinema 4D hatte ich die Möglichkeit aus den einzelnen Photographien ein kleines Materialarchiv zu erstellen. Das Originalbild konnte ich als Farbebene für das Material nutzen. Um eine passende Textur zu erzeugen, musste ich das Bild auf Schwarz- und Weißwerte reduzieren und so die Tiefenebenen der Rostoberfläche hervorheben. Durch den sogenannten „Displacer“ werden hellere Stellen stärker als dunkle Stellen extrudiert, wodurch eine zur Farbebene passende Textur entsteht.

Dieses Material konnte ich schließlich auf eine Kugel legen und mit einem einfachen Lichtsetting von der Seite beleuchten lassen, um so das Bild eines kleinen Rostplaneten zu erzeugen.

Displacement-Animation

Fazit

Ich hätte niemals gedacht, dass sich ein so starkes Interesse zu dem sonst so nervigen Rost entwickeln könnte. Allein beim Betrachten der Farbpalette, welche in meiner Collage nur einen winzigen Teil Pforzheims wiedergibt, bin ich fasziniert wie vielseitig Rost tatsächlich sein kann. Nicht nur in Hinsicht auf die Farbvielfalt, sondern besonders auch aufgrund der sich immer weiter verändernden Struktur in Form eines Organismus.

Die Möglichkeit auf digitaler Ebene hat dann schließlich nicht nur mein Interesse sonder auch völlig neue Ideen in mir geweckt. Dieses Material auf eine Kugel zu ziehen war hier nur ein Bruchteil der Möglichkeiten dieses Medium in Kombination anzuwenden.